NKG-Indikator: Mehrheit der Kliniken fürchtet wirtschaftliches Aus noch vor der Krankenhausreform

Hannover 03.01.2024

60 Prozent der Krankenhäuser in Niedersachsen sehen ihre wirtschaftliche Existenz bis zum Wirksamwerden der von Bund und Ländern geplanten Krankenhausreform gefährdet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) hervor. „Dieser Befund ist dramatisch, zumal die Krankenhäuser grundlegenden Zielen der Reform mehrheitlich positiv und offen gegenüberstehen“, kommentiert Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG das Ergebnis der Erhebung. „Wir fordern die Bundes- und Landespolitik auf, die Situation der Krankenhäuser ernst zu nehmen und entsprechend zu handeln. Die weitere Akzeptanz sowie das Gelingen der Krankenhausreform hängen maßgeblich davon ab, dass die Kliniken schnellstmöglich wirtschaftlich abgesichert werden und somit ein geordneter Umbau der Krankenhauslandschaft ermöglicht wird. Die Krankenhäuser sind bereit für die Reform. Der Faktor Zeit wird aber für viele Kliniken entscheidend sein. Deshalb benötigen wir ein der Reform vorangehendes Vorschaltgesetz“, so Dr. Aldag. 

Die Ergebnisse des NKG-Indikators zeigen, dass die wirtschaftliche Existenz der überwiegenden Mehrheit der Krankenhäuser allein auf Basis der regulären Krankenhausfinanzierung massiv gefährdet ist. 95 Prozent der befragten Krankenhäuser geben an, dass sie aktuelle Sach- und Personalkostensteigerungen nicht aus den regelhaften Erlösen der Patientenbehandlung finanzieren können. 73 Prozent der Krankenhäuser geben zudem an, dass sie in den vergangenen Jahren nicht in der Lage waren, ausreichende Rücklagen zu bilden, um die aktuellen Kostensteigerungen vorübergehend finanzieren zu können. Dies bedeutet, dass drei Viertel der Krankenhäuser bereits kurzfristig auf finanzielle Hilfe angewiesen sind. Eine deutliche Mehrheit von 73,6 Prozent der Krankenhäuser erwartet 2024 eine schlechtere wirtschaftliche Entwicklung als bisher. 23,6 Prozent der Kliniken gehen davon aus, dass sich ihre wirtschaftliche Situation gleichbleibend darstellen wird. Eine bessere wirtschaftliche Entwicklung erwarten nur 2,8 Prozent der Krankenhäuser.

„Das bestehende System der Krankenhausfinanzierung ist nicht dazu geeignet, wirtschaftliche Negativfolgen von Krisenereignissen wie Pandemien oder inflationsbedingte Preisschocks rechtzeitig abzufedern“, erläutert NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke. Gegenüber dem Vorkrisenniveau des Jahres 2021 beträgt die Preissteigerung 2023 bei den Sachkosten laut Umfrage durchschnittlich 14 Prozent. Darüber hinaus erwarten die Krankenhäuser 2024 tarifliche Lohnkostensteigerungen gegenüber 2022 von durchschnittlich 10 Prozent. Die Erlöse steigen jedoch nur um 5,13 Prozent. „Diese Lücke muss dringend geschlossen werden“, so Engelke.

Die Krankenhäuser wurden für den NKG-Indikator auch zu ihren Erwartungen hinsichtlich der geplanten Krankenhausreform befragt. Das mit der Reform verbundene Ziel einer stärkeren Konzentration von Krankenhäusern bzw. Krankenhausstandorten wird von 49 Prozent der befragten Kliniken positiv beurteilt. 31 Prozent der Kliniken stehen weiteren Konzentrationsprozessen in der Krankenhauslandschaft neutral gegenüber. Rund 29 Prozent der Krankenhäuser gehen davon aus, dass es aufgrund der Reform zu einer Zusammenlegung ihres Krankenhauses mit anderen Krankenhäusern bzw. zu der Zusammenlegung von Krankenhausstandorten kommt. Rund 45 Prozent erwarten hingegen nicht, von einer Zusammenlegung betroffen zu sein. Die Möglichkeit, im Zuge des geplanten Umbaus der Klinikstrukturen kleinere Häuser in Regionale Gesundheitszentren mit sektorübergreifender Versorgung (Level Ii) umzuwandeln, bewerten 38 Prozent der Krankenhäuser positiv. 37 Prozent geben an, dem neutral gegenüberzustehen und 25 Prozent beurteilen dies negativ. „Dies hängt sicher auch mit den bislang noch unklaren Bedingungen für diese Versorgungsform zusammen“, betont Helge Engelke.

Wie die Umfrage zeigt, gibt es auch deutliche Diskrepanzen zwischen von der Bundespolitik formulierten Zielen der Krankenhausreform und den Erwartungen der Kliniken. Lediglich 15 Prozent der Krankenhäuser erwarten, dass das insbesondere von Bundesgesundheitsminister Lauterbach erklärte Ziel einer verbesserten Behandlungsqualität für die Patientinnen und Patienten allein durch die Krankenhausreform erreicht werden kann. 44 Prozent der Krankenhäuser geben an, dies zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzen zu können. Auch das zweite zentrale Argument des Bundesgesundheitsministers für die Krankenhausreform – nämlich eine bessere Verteilung des knappen Klinikpersonals – spiegelt sich bisher nicht in den Erwartungen der Krankenhäuser wider. Nur 16 Prozent der Krankenhäuser gehen gegenwärtig davon aus, dass sich ihnen infolge der Reform bessere Perspektiven für die Gewinnung von Personal eröffnen werden. 45 Prozent der Kliniken geben an, diesbezüglich keine Verbesserung zu erwarten. Nicht abschätzen können dies zurzeit 39 Prozent der Krankenhäuser. Einig sind sich die Krankenhäuser allerdings dahingehend, dass – entgegen der Zielsetzung der Reform – die Bürokratie weiter stark anwachsen wird.

NKG-Indikator

Die Umfrage für den NKG-Indikator hat von Oktober bis November 2023 stattgefunden. An der Befragung haben 106 Krankenhäuser der zum Zeitpunkt der Umfrage 165 zugelassenen Krankenhäuser in Niedersachsen teilgenommen. Auf die teilnehmenden Krankenhäuser entfallen 30.583 der insgesamt 40.211 Planbetten in Niedersachsen. Das entspricht einem Anteil von 76 Prozent der Krankenhausbetten in Niedersachsen. Der NKG-Indikator umfasst neben Aussagen zur wirtschaftlichen Situation der Krankenhäuser weitere Ergebnisse zu den Themenfeldern Krankenhausreform, Personal, Ausbildung, Arbeitsplatzattraktivität, Dokumentationsaufwand und zukünftigen Herausforderungen für die Kliniken.

Weitere Informationen:

- Helge Engelke, Verbandsdirektor der NKG (0511 / 307 63 0)
- Piet Schucht, Pressesprecher der NKG (0511 / 307 63 19 oder Mobil: 0160 / 224 74 57 )
  E-Mail: schucht@nkgev.de
  Thielenplatz 3 - 30159 Hannover - www.nkgev.info

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