Krankenhausreform: Kliniken fordern praxisnahe Nachbesserungen
Hannover, 30.06.2025
Mit dem heutigen Ablauf der Frist zur Beantragung von Leistungsgruppen erreicht die Umsetzung der Krankenhausreform in Niedersachsen einen ersten Meilenstein. Vom 1. April bis 30. Juni 2025 mussten die Krankenhäuser im Land ihre Anträge auf Zuweisung von Leistungsgruppen einreichen. Das Antragsverfahren hat aus Sicht der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft (NKG) bestehende Herausforderungen und Defizite der Reform offengelegt. Die aktuellen Vorgaben sind vielfach nicht praxistauglich und führen zu erheblichen Unsicherheiten in der weiteren Umsetzung. Angesichts dessen fordert die NKG die Politik in Land und Bund zu inhaltlichen Nachbesserungen auf.
„Die Kliniken haben unter erheblichem Aufwand und trotz zahlreicher offener Fragen ihre Anträge eingereicht. Auf diese Weise liefern Niedersachsens Krankenhäuser wertvolle Impulse für eine sachgerechte Weiterentwicklung der Reform. Jetzt wird sichtbar, wo die Reform an Grenzen stößt und Korrekturbedarf besteht. Diese Erfahrungen müssen Gehör finden. Die im Koalitionsvertrag vereinbarte Anpassung des Reformgesetzes ist zügig auf den Weg zu bringen. Sonst droht die Reform an ihrer eigenen Komplexität zu scheitern“, betont Rainer Rempe, Vorstandsvorsitzender der NKG.
Ein Problem bei der Umsetzung der Reform ist die Anwendung der sogenannten Grouper-Software, die medizinische Leistungen automatisch bestimmten Leistungsgruppen zuordnet. Die Logik dieser Software führt insbesondere in Niedersachsen zu verzerrten Ergebnissen. Hintergrund ist, dass infolge der bisherigen Rahmenplanung in Niedersachsen Fachabteilungsschlüssel für die Subdisziplinen z.B. in der Inneren Medizin bislang nur in Ausnahmefällen vergeben wurden. Die spezifische Logik des Groupers gepaart mit der Problematik fehlender spezifischer Fachabteilungsschlüssel verhindert, dass Krankenhäuser ihre tatsächlich erbrachten Leistungen sachgerecht abbilden können. In der Folge werden Krankenhäusern trotz eines ähnlichen medizinischen Angebotes stark unterschiedliche Fallzahlen in den Leistungsgruppen zugewiesen. Dies erschwert eine faire und realitätsnahe Bestandsaufnahme und birgt das Risiko einer Krankenhausplanung, die am tatsächlichen Versorgungbedarf vorbeigeht.
Zudem zeigt sich, dass Kooperationen zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im bisherigen Reformkonzept nicht ausreichend berücksichtigt werden. Dies betrifft gerade Einrichtungen wie Fachkliniken, die durch die gemeinschaftliche Nutzung von Infrastruktur besonders effizient arbeiten und funktionierende Versorgungskonzepte etabliert haben. Bereits während des Antragsverfahrens wurde erkennbar, dass Kliniken vielfach an formalen Qualitätskriterien scheitern, obwohl sie den Anforderungen an eine umfassende und hochwertige Patientenversorgung in der Praxis gerecht werden. Auch die Rolle belegärztlich geführter Abteilungen bleibt bislang mit großen Unsicherheiten behaftet, was zu erfüllende Personalvorgaben und Mindestfallzahlen anbelangt.
„Die Kliniken in Niedersachsen sind die ‚Beta-Tester‘ der Krankenhausreform. Was im Gesetz gut gemeint ist, bereitet in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten“, unterstreicht NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke. „Wenn die in einem Algorithmus abgebildete Struktur eines Hauses wichtiger wird als das, was dort tatsächlich geleistet wird, läuft die Reform in die falsche Richtung. Das Ziel einer zukunftsfähigen Krankenhausplanung kann nur erreicht werden, wenn rechtliche Vorgaben, medizinische Realität und regionale Versorgungsstrukturen in Einklang gebracht werden. Unsere Kliniken brauchen faire und praxisgerechte Kriterien und nicht neue bürokratische Hürden. Nur so kann die Patientenversorgung auch künftig flächendeckend und auf einem hohen Qualitätsniveau aufrechterhalten werden“, so Engelke weiter.
Zum Hintergrund:
Mit der Novelle des Niedersächsischen Krankenhausgesetzes hat das Land die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, um die Vorgaben des für die Krankenhausreform maßgeblichen Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) umzusetzen. Ab dem 1. Januar 2027 soll die Krankenhausplanung bundesweit von Fachabteilungen auf Leistungsgruppen mit zugehörigen Fallzahlen umgestellt werden. Die Länder müssen bis Ende 2026 die Leistungsgruppen den Krankenhäusern zuweisen. Niedersachsen ist im bundesweiten Vergleich bei der Vorbereitung bereits weit vorangeschritten. An die neue Krankenhausplanung wird künftig auch die Krankenhausfinanzierung geknüpft. Die Umstellung auf die neue Finanzierung soll ab 2028 schrittweise erfolgen und bis 2030 abgeschlossen sein.