Versorgung von Frühgeborenen akut gefährdet

21. Juni 2019
Versorgung von Frühgeborenen akut gefährdet
Studie der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft belegt, dass Bundesvorgaben nicht erfüllbar sind

Hannover. Kaum eines der 19 niedersächsischen Zentren für Früh- und Neugeborene kann die Personalanforderungen der sogenannten „Richtlinie über Maßnahmen zur Qualitätssicherung der Versorgung von Früh- und Reifgeborenen“ erfüllen. Dass damit die flächendeckende Versorgung von Frühgeborenen akut gefährdet ist, mahnte die Niedersächsische Krankenhausgesellschaft (NKG) in einem Pressegespräch im Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult in Hannover an.

Mit einer von ihr in Auftrag gegebenen Studie des RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung belegt die NKG das. Demnach werden auch Zentren für Neu- und Frühgeborene (Perinatalzentren) mit dem zurzeit besten Erfüllungsgrad im Durchschnitt alle vier Jahre die Personalvorgaben der Richtlinie verletzen und damit die Versorgung stoppen müssen.

Die Richtlinie stammt vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), dem obersten Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, Krankenhäuser und Krankenkassen in Deutschland.

„Sollte die Richtlinie nicht durch den G-BA geändert werden, dann dürfen viele dieser Zentren ab dem 1. Januar 2020 keine Frühgeborenen mehr versorgen“, so NKG-Verbandsdirektor Helge Engelke: Das hätte zur Folge, dass Frühgeborene möglicherweise unter lebensbedrohlichen Risiken in andere Krankenhäuser verlegt werden müssten.

Ausschlaggebend für die Situation seien nicht fehlender Wille in den Krankenhäusern, sondern objektive Gegebenheiten, berichtet Dr. Thomas Beushausen, Ärztlicher Direktor Kinder- und Jugendkrankenhaus Auf der Bult, aus der Praxis: Nämlich die fehlende Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal auf dem Arbeitsmarkt, unkalkulierbares Patientenaufkommen und unvorhersehbarer Personalausfall. „Das sind Gründe, auf die das Krankenhaus praktisch keinen Einfluss hat“, erläutert er.

Erhebungen bei den niedersächsischen Krankenhäusern machen laut Engelke deutlich, dass die Anforderungen an die Versorgungsrealität der Krankenhäuser angepasst werden können, ohne dass die Versorgung auf den Kinderintensivstationen beeinträchtigt werde. Denn die größte Gefährdung für die Säuglinge sei der Weitertransport zu anderen Zentren, wenn aufgrund der zu engen und restriktiven Anwendung der Personalvorgaben Intensivplätze abgemeldet werden müssten: „Normative Vorgaben dürfen nicht zur lebensbedrohlichen Falle für Frühchen werden.“

Im Mittelpunkt einer versorgungsgerechten Anpassung müsse eine Flexibilisierung für die Erfüllung der extrem hohen Mindestanforderung einer 1:1 beziehungsweise 1:2 Besetzung mit Pflegefachpersonal stehen, so Engelke. Dass von dieser Mindestanforderung nur maximal zwei Schichten abgewichen werden könne, sei eine viel zu enge Vorgabe. Der Flexibilitätskorridor müsse erweitert werden. Auch bräuchten die Kliniken mehr Möglichkeiten, die erforderliche Personalvorhaltung neben Kinderintensivfachpflegekräften auch über langjährig im Bereich der Neonatologie tätige Pflegekräfte sicherzustellen. Hier müssten die Übergangszeiträume für die Anerkennung der Pflegekräfte ebenfalls erweitert werden.

„Krankenhäuser werden die Versorgung von Frühgeborenen nicht einstellen, aber der Widerspruch zwischen Realität und Regelwerk muss jetzt aufgelöst werden und der hierzu dringend notwendige Beschluss kann nicht zu Lasten der Frühgeborenen aufgeschoben werden“, so der Verbandsdirektor.

Die NKG fordert von den Krankenkassen, im G-BA die erforderlichen Korrekturen an der bestehenden Richtlinie nicht zu verweigern. Ansonsten müsse der Gesetzgeber durch entsprechende Vorgaben eingreifen. Fachpersonalknappheit dürfe durch überzogene Vorgaben nicht auch noch verstärkt werden. 

Weitere Informationen:

  • Dr. Hans-Heinrich Aldag, Vorsitzender der NKG (0511 / 307 63 0)
  • Helge Engelke, Verbandsdirektor der NKG (0511 / 307 63 0)
  • Marten Bielefeld, stv. Geschäftsführer der NKG (0511 / 307 63 49)

 

Thielenplatz 3 - 30159 Hannover – www.nkgev.info

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